Hartm. Frische, Predigt über Dan 12,1-4

                                                                                                                     Marienkapelle Minden-Hahlen, 26.11.2017

Liebe Gemeinde,

heute vor einer Woche, spät abends, sind die Sondierungsgespräche in Berlin geplatzt. Wenn man über die Themen dieser Verhandlungen nachdenkt, kommt man ins Grübeln:

Wird man Steuern und Finanzen in unserem Staat so planen können, dass die Reichen abgeben müssen und den Armen deutlich unter die Arme gegriffen wird? Hat unser Land dazu die politische Kraft?

Wird man – zusammen mit vielen anderen Ländern der Erde – die Erderwärmung stoppen können und so bewirken, dass Inseln in dem Pazifischen Ozean erhalten bleiben und Holland nicht überflutet wird?

Werden wir uns in Deutschland und in Europa so menschlich wie möglich gegenüber den Flüchtlingen verhalten?

Werden wir es hinkriegen, bei all den Kriegen und terroristischen Aktionen kräftige Schritte hin zu einer friedlicheren Welt zu gehen?

Werden weitere Staaten der Welt zu stabilen Demokratien, oder wird die Zukunft der Welt mehr und mehr von eigenmächtigen Diktatoren bestimmt werden?

Ich glaube, es ist an der Zeit, da aufzuhorchen, wo es in biblischen Texten um den Gang der Heilsgeschichte geht. Nicht Menschen müssen oder werden die Welt retten und Gerechtigkeit rund herum herstellen. Gott ist und bleibt der Regierende. Es geht um Sein Reich. Wohl dem, der ihm vertrauen kann. Der Ewigkeitssonntag, ist besonders geeignet, darüber nachzudenken. So lese ich uns den für heute vorgeschlagenen Text: Dan 12,1-4:

„(V.1) Zu jener Zeit wird Michael auftreten, der große Engelfürst, der für dein Volk einsteht. Denn es wird eine Zeit so großer Trübsal sein, wie sie nie gewesen ist, seitdem es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Aber zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen. (V.2) Und viele, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zu ewiger Schmach und Schande. (V.3) Und die Verständigen werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich. (V.4) Und du, Daniel, verbirg diese Worte und versiegle dies Buch bis auf die letzte Zeit. Viele werden herumirren, und die Bosheit wird zunehmen.“

Meiner Kenntnis nach haben wir hier ein prophetisches Wort vor uns, das etwa 2.200 Jahre alt ist. Wir wollen auf das achten, was uns schon vertraut ist, und auf das, was uns überrascht. Ich habe 6 kurze Punkte:

  1. „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, so beginnt das Lied, das Dietrich Bonhoeffer 1944 im Keller-Gefängnis der Gestapo in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin gedichtet hat, für seine Braut und für seine Eltern. Hier geht es nicht so sehr um die Engelchen, von denen wir zu Hause Bilder hängen und Figürchen stehen haben. Bei den guten Mächten haben wir eher an die himmlischen Heerscharen zu denken, von denen wir heute in vier Wochen wieder in der Weihnachtsgeschichte hören. Und an der Spitze dieser Engel-Heere stehen die Erzengel, Gabriel und dann hier Michael, der Engelfürst. „Zu jener Zeit wird Michael auftreten, der große Engelfürst, der für dein Volk eintritt.“ Die guten Mächte haben Anführer. Michael war der Schutzengel des Volkes Israel, und bereits vor Jahrhunderten hat man ihn zum Schutzpatron Deutschlands Tausende Male wurde Michael, nach Offb 12 der Drachentöter, in unserem Land und auch sonst in Europa gemalt, geschnitzt und moduliert.

Um 1840 hat man im Anklang an ihn die Figur des deutschen Michel geschaffen, mit seiner Schlaf- oder Zipfelmütze, eine Karikatur des einfachen Mannes, auf den man herabsah und den man belächelte.

Aber der Erzengel Michael hat in der biblischen Botschaft seinen Platz in  der Welt Gottes. Ganz gleich wie traurig, bedrückend und verworren es in der Politik auch ist: „Es wird regiert!“, von höchster Stelle, mit Mitteln und Wegen, die nachhaltig und zielführend sind.

Im Bundestagswahlkampf hingen hier an den Straßen in Hahlen FDP-Plakate, auf denen stand: „Wir sind so frei, wie wir wollen!“ 9 Wochen ist das her. So denkt sich das Klein-Fritzchen. Nein, wir sind mehr verstrickt, als wir denken. Wohl dem, der es da glauben kann: „Von guten Mächten wunderbar geborgen!“ Da ist ein Größerer, der uns umgibt.

  1. Uns sind keine rosigen Zeiten angekündigt. Hier heißt es sogar in V. 1: „Es wird eine Zeit so großer Trübsal geben, wie sie nie gewesen ist.“ Wir brauchen uns über nichts zu wundern. Damals zurzeit des Daniel-Buches beherrschten Griechen Palästina, die Nachfolger von Alexander dem Großen. Der Hellenismus verbreitetes seine Faszination. Der Gott Israels wurde verlästert. Wer Gott und seine Gebote ernst nahm, wurde gefangen genommen, verurteilt und hingerichtet. Für die gläubigen Juden war das schrecklich, aber sie blieben ihrem Gott treu.

Und heute: Am vergangenen Sonntag lief abends im Ersten Programm ein Krimi mit dem Titel: „Gott ist auch nur ein Mensch!“ Mit einem solchen Filmstreifen unterhielten sich Millionen vor dem Eklat nachts in Berlin.

Wenn die Zeiten noch unsicherer werden, wenn es immer schwieriger wird zu regieren, wenn bei uns immer mehr Menschen und in der weiten Welt Massen von Menschen ins Unglück und ins Elend stürzen, dann ist da einer, an den wir uns halten können, und dann werden wir gehalten.

Ich würde gerne unseren Kindern und Enkeln eine Welt hinterlassen ohne Monsterwellen und Hurrikane, ohne Erdbeben und Hunger-Katastrophen, ohne Krieg und Terror, ohne Diktatoren und Heuschrecken-Kapitalismus, ohne Luftverschmutzung und Erd-Erwärmung. Aber Daniel kündigt an: „Es wird eine Zeit großer Trübsal geben.“ Und Jesus unterstreicht diese Ankündigung.

  1. Ins Buch des Lebens geschrieben. Es ist ja gut und wichtig, dass Ihr Name, dass mein Name im Einwohnermeldeamt verzeichnet ist, dann bei einer Krankenkasse, bei einer Renten- oder Pensionskasse. Es ist ja gut, dass er in Kirchenbüchern steht. Und dass es Verwandte und Freunde gibt, die unsere Wohn-Adresse, unsere Telefon-Nummer und unsere e-mail-Adresse notiert haben.

Aber noch wichtiger ist es, dass hier von denjenigen die Rede ist, „die im Buch geschrieben stehen“. Mose bat darum, aus diesem Buch gestrichen zu werden, wenn nur sein Volk Israel gerettet würde (2. Mose 32,32).   Jesus ruft seinen Jüngern zu: „Freuet euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben stehen“ (Luk 10,20).

Gott ist bereit, meinen Namen, den mir meine Eltern gegeben haben, in sein Buch des Lebens einzuschreiben. In unserem Gesangbuch ist dies aufgenommen, wenn es in einem Tauf-Lied heißt: „Nun schreib ins Buch des Lebens,/ Herr, ihre Namen ein,/ und lass sie nicht vergebens / dir zugeführet sein.“ Die Zeiten sind so, dass man gut daran tut, sich dies tief einzuprägen: Mein Name, Ihr Name ist ins Buch des Lebens eingetragen.

  1. Von verständigen Menschen zugerüstet. Martin Luther hat hier übersetzt: „Und die da lehren, werden leuchten wie des Himmels Glanz.“ Es hilft uns in unserer seelischen Gesundheit, wenn wir dankbar Die da lehren, sind nicht nur die Reformatoren vor 500 Jahren, die jetzt so oft das Thema waren, und nicht nur die bekannten Theologen heute. Nein, wir wollen uns an diejenigen erinnern, die uns gefördert haben, die uns unterrichtet haben – „unterrichten“ heißt doch: unten richten! Der schiefe Turm von Pisa wurde nur deshalb schief, weil unten im Fundament etwas schief war, und dann musste man schief weiter bauen.

Jeder kann sich fragen: Wo waren für mich die Menschen, von denen ich etwas gelernt habe, in Bezug auf die Welt und in Bezug auf Gott? In der Familie, in der Schule, bei der Ausbildung in der Lehre oder im Studium! Wem kann ich noch heute dankbar sein? Wo kann ich vielleicht heute noch jemandem einen Brief schreiben und ein Dankeschön sagen?

Und wo und wie wurde Jesus derjenige, der mich zu seinem Jünger oder zu seiner Jüngerin gemacht hat, und wie lehrte er mich das, was ich zum Leben und Sterben brauche?

Über die Verständigen, über die Lehrer ist hier eine wunderbare Verheißung aufgerichtet: „Und die da lehren, werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.“

  1. Wir leben auf das Jüngste Gericht zu. Nicht immer, aber doch oft habe ich bei der Einsegnung des Sarges eines Menschen am offenen Grab gesagt: „Gott, sei ihm gnädig im Gericht.“ Der Tag des Jüngsten Gerichtes ist etwas anderes als der „St. Nimmerleinstag“, über den Bert Brecht spöttisch ein Gedicht machte. Ein „St. Nimmerleinstag“ wird endlos hinaus geschoben. Kein Mensch rechnet ernsthaft damit, dass er kommt.

Im AT ist nur selten vom Jüngsten Gericht die Rede. Aber hier in Dan 12 steht es: „Viele, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zu ewiger Schmach und Schande.“

Und Jesus sagt: „Wundert euch darüber nicht: Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Lebens.“ (Joh 5,28+29)

Auch wenn es schwer sein wird, es ist gut, dass eines Tages die ganze Wahrheit über mein Leben, über unser Leben heraus kommen wird. Dann stehen wir vor dem Heiligen Gott und vor Christus, der gerecht und barmherzig zugleich ist: Wir sündige Menschen haben uns vor dem heiligen Gott zu verantworten. „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeder empfange nach dem, was er getan hat im Leib, es sei gut oder böse.“ (2. Kor 5,10) Wochenspruch vom Volkstrauertag.

  1. Wir gehören zu denjenigen, denen Verborgenes, Geheimnisvolles und Versiegeltes offenbart wird. Hier heißt es: „Und du, Daniel, verbirg diese Worte und versiegele dies Buch bis auf die letzte Zeit“.

Jesus lebte damit, dass die Menschen in den Dörfern und Städten von ihm sprachen und die Kunde von ihm also im Lande rund ging; zugleich ermahnt er immer wieder Menschen, an denen er gehandelt hatte, nicht davon weiter zu erzählen. Er hüllte sich in das Geheimnis seines Messias-Seins. Es gab Menschen, die für ihn, für das, was er sagte und für das, was er tat, offen waren, die ihm glaubten. Und es gab Menschen, die ihn und seine Liebe nicht an sich heran ließen, die verschlossen waren für das Kommen des Reiches Gottes, die es nicht begriffen, wer da unter ihnen wirkte. Jesus offenbarte sich, und zugleich verhüllte er sich.

Und dann bekommt Johannes im letzten Kapitel der Offenbarung die Weisung: „Versiegle nicht die Worte der Weissagung in diesem Buch; denn die Zeit ist nah!“ (Offb 22) All das Eindringliche und Große, das prophetisch geredet und aufgeschrieben worden ist und das heute prophetisch geredet wird, soll jetzt nicht mehr versteckt werden und verschlossen sein, sondern im Volk Gottes weiter gesagt, bedacht und besprochen werden.

Wir wünschen es den Politikern in Berlin, dass sie bald eine stabile Regierung für unser Land bilden können und dass sie Projekte entwerfen und beschließen können, die Gewalt vermeiden und Nöte lindern. Was Menschen möglich ist, soll auch versucht werden! Aber keiner kann uns hindern, auf Gott zu schauen. Deshalb dürfen und sollen wir dieses etwa 2.200 Jahre alte Buch des Propheten Daniel aufschlagen, es lesen, und dabei stoßen wir auf Vertrautes, und zugleich entdecken wir Überraschendes.

Hartmut Frische, Pfr., Minden,

Lied: „Keiner weiß wann; und keiner weiß wie“