Das bekannteste Lied Martin Luthers ist wohl das Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“. Luther hat es gedichtet im Jahre 1529, also in einem Jahr, in dem Luther ein im ganzen Deutschen Reich bekannter Mann war, in dem seine Person und seine Überzeugungen noch sehr umstritten waren. In dem Lied beschreibt der Reformator den Glauben an Gott als Trutzburg oder als Bollwerk. Er nimmt mutig in den Blick, wo überall Feinde lauern. Wo es zu Kämpfen kommt, da hat Gott uns den rechten Mann, seinen Sohn Jesus Christus zur Seite gestellt. Das Lied endet mit der Zeile: „Das Reich muss uns doch bleiben.“ Nun hat jemand diese letzte Zeile genommen und sie pfiffig – ganz im Modus des Schüttelreimes – neu zusammengesetzt. So entstand auf einmal die Zeile: „Was bleibt, muss uns doch reichen.“ Aus dem Satz dieses Liedes, das mit der ursprünglichen Zeile den Höhepunkt eines mutigen, fast trotzigen Glaubens bildete, wurde eine Wendung, mit der resigniert festgestellt wird: Ich will mich mit dem abfinden, was uns, den Christen in unserem Land bleibt. Wir spüren, dass uns der Wind ins Gesicht bläst. Stimmen, die die Überzeugungen der Christen an den Rand drängen oder ganz ins Private abschieben, werden lauter und aggressiver. Die Zahl der Kirchenmitglieder wird kleiner. In den Kirchenkreisen gibt man Gemeindehäuser, Pfarrhäuser und auch Kirchen ab. Die Zeiten, in denen ganze Dörfer und Städte, ganze Provinzen und ganze Länder in Europa von den Überzeugungen der Christen erfüllt waren, sind lange vorbei. Wo ist jemand, der heute so auftritt und seine Überzeugung vertritt wie Luther, der den Konflikt mit seinen Kollegen, die wie er biblische Theologie lehrten, nicht scheute? Wo sind diejenigen, die sich so wie Luther der Hoffnung auf das ewige Leben gewiss waren, und in dieser Gewissheit vor das einfache Volk und die Mächtigen in Europa traten und das ihnen Aufgetragene sagten? Man darf eine Zeile aus einem Lied im Gesangbuch so nehmen und schütteln, um auf die vielerorts übliche Resignation heute beim Namen zu nennen: „Was bleibt, muss uns doch reichen.“ Nichts destotrotz bleibt die Zeile aus dem Luther-Lied erhalten und entfaltet ihre Kraft: „Das Reich muss uns doch bleiben.“ In Jesus Christus ist uns das Reich Gottes nahe gekommen. Wo das Evangelium in seinem Namen weitergesagt wird und der Geist Gottes wirkt, da muss alles in den Hintergrund gedrängt werden und verblassen, was Menschen heute so wichtig zu sein scheint. Das Wort sie sollen lassen stahn / und kein‘ Dank dazu haben;
Er ist bei uns wohl auf dem Plan / mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib, / Gut, Ehr, Kind und Weib;
Lass fahren dahin, / sie haben’s kein Gewinn,
dass Reich muss uns doch bleiben