Apg 5,29 – Gott mehr gehorchen als den Menschen

Predigt über Apg 5,29: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

                                                                                                           Lüdenhausen, 19.09.2021

                                                                                                            Rothenuffeln, 26.09.2021

                                                                                            Marienkapelle Hahlen, 10.10.2021

Liebe Gemeinde,

heute vor 14 Tagen wurde der Bundestag neu gewählt. Zurzeit besprechen drei  Parteien miteinander, wie eine neue Bundesregierung gebildet werden kann. Schritt für Schritt geht es weiter. Es mag bis in den Dezember hinein dauern, bis die Regierung vereidigt wird und dann ihre Arbeit aufnimmt.

Ich möchte heute Morgen in dieser Predigt an Hand eines Satzes aus Apg 5 über das Verhältnis von Christengemeinde und Bürgergemeinde reden. Das Verhältnis Kirche-Staat ist auch in unserem Gesangbuch ein Thema. Bitte schlagen Sie im EG die Seite 1.371 auf. In diesem Buch haben wir die Lieder, dann die Psalmen und dann die Bekenntnisse. Hier steht S. 1.370f der 16. Artikel des Augsburger Bekenntnisses aus dem Jahre 1530, mit der Überschrift: „Von der Polizei (Staatsordnung) und dem weltlichen Regiment“. Ich lese den letzten Satz: „Deshalb sind es die Christen …“. Da wird Apg 5,29 zitiert: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

Viele von uns mögen sich an die ersten Kapitel der Apostelgeschichte erinnern: Nach dem ersten Pfingstfest hatten Petrus und die anderen Apostel zum zweiten Mal am Tempel in Jerusalem gepredigt und Wunder getan. Und wieder nahmen die Sadduzäer, die Priesterpartei dort, an dem unerschrockenen Auftreten dieser Männer Anstoß. Petrus und die anderen wurden gefangen genommen – und dann auf wunderbare Weise befreit. Man stellte sie vor den Hohen Rat, also vor dasselbe Gremium, das Jesus verurteilt hatte, und machte ihnen bittere Vorwürfe.

Aber diese Zeugen Jesu erzählten auch hier in aller Freiheit von der Kreuzigung Jesu und von seiner Auferweckung. Dabei bekannten sie: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

Meine Fragen sind heute Morgen: Wann muss ich mir Überzeugungen bilden, dann mit Menschen reden, auch Kompromisse schließen und mich mit Menschen anderer Überzeugungen einigen? Und wann muss ich nach dem Willen Gottes fragen, dann auf ihn hören und ihm gehorchen?

Was heißt es, in diesem demokratischen Staat zu leben, Bürger zu sein und hier wählen zu gehen? Ich wünsche es mir, dass alle, die wahlberechtigt sind, ihr Recht auch ausüben. Und was heißt es, Mitglied einer Kirchengemeinde zu sein? Ich habe 7 kurze Punkte:    (runder Tisch)

  1. Wie ist das mit unserem Reden? Wir leben in einem Staat, in dem Rede- und Meinungsfreiheit herrscht. In Art. 5 des GG ist das eins der Grundrechte in unserem Land, auch in den anderen Ländern der westlichen Welt. Aber: Was wird alles geredet, geschrieben und ins Internet gesetzt! Von den Politikern, von den Journalisten, von den Wissenschaftlern, von den Kabarettisten und von den Satirikern! Auch von Leuten, die hetzen und zu Gewalttaten aufrufen. Ich will hier vorsichtig sein. Auch ich lese regelmäßig Zeitungen und Magazine; auch ich gehe gerne ins Kabarett. Oft bin ich erstaunt darüber, was Dieter Nuhr zu sagen wagt. Auch ich habe meine „homepage“ und möchte mitreden. – Demgegenüber sagt Jesus den Satz – und das ist etwas anderes als das Recht der Meinungsfreiheit: „Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem unnützen Wort, das sie reden“, für jedes sinnlos dahergeredete Wort (Mt 12). Eine Warnung, die fast 2.000 Jahre alt ist. Aber ist sie in irgendeiner Weise veraltet? Wir werden uns einmal vor dem heiligen Gott verantworten müssen mit allem, was wir reden, schreiben und ins Internet setzen. Alle Menschen! Auch diejenigen werden das tun müssen, die am Sonntagmorgen nicht im Traum daran denken, in den Gottesdienst zu gehen.
  2. In unserem Land spielen das Geld, das Konto und die Aktien eine große Rolle. Gerade in einer Gesellschaft, in der die Wirtschaft florieren und der Wohlstand erhalten bleiben soll. – Es liegt schon einige Jahre zurück; meine Frau und ich waren zu Gast in einer Familie, die nicht arm war. Wir saßen beim Abendessen und unterhielten uns; das Fernsehen lief; die Tagesschau wurde gezeigt; als die Börsenberichte kamen, drehte sich der Kopf der Frau interessiert zum Fernsehgerät um und achtete auf den aktuellen Börsenstand. So ist das in unserem Land. – Demgegenüber heißt es in der Bergpredigt: „Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird an dem einen hängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (Mt 6) Die Bergpredigt Jesu überliefert uns hier ein Wort aus dem Aramäischen, der Muttersprache Jesu: Mammon. Es gehört zu dem Sprachschatz unseres Landes. Geld kann zum Götzen werden. Wo das Geld wichtiger wird als die Ehrfurcht vor Gott, da läuft etwas grundlegend falsch. Christen müssen das wissen, die Menschen insgesamt auch.
  3. Auf vielfältige Art und Weise werden heute Menschen nach vorne auf die Bühne gestellt, sie werden gelobt, sie werden hochgejubelt, und sie können so das Denken und Handeln in unserem Land bestimmen. – Da gibt es eine Geschichte aus der Urchristenheit, die lässt aufhorchen. In Apg 12 ist von einem König Herodes die Rede. Er hieß Agrippa I., der Enkel des Herodes der Geburtsgeschichten, und er regierte von 37-44 n. Chr. Er ließ den Apostel Jakobus mit dem Schwert töten. An einem bestimmten Tag setzt er sich in Positur, hält vor seinem Volk eine flammende Rede, und dann ruft sein Volk ihm zu: „Das ist Gottes Stimme und nicht die eines Menschen!“ Dies ist Personenkult in Reinkultur. Lesen Sie selbst nach, wie es diesem Mann ergeht. – Demgegenüber hat man in den Kirchengemeinden die Gebote Gottes gelernt. Gleich in dem ersten heißt es: „Ich bin der Herr, dein Gott. … Du sollst keine anderen Götter habe neben mir.“ Mit einem Menschen Personenkult zu treiben, ist unter den Gliedern einer  Gemeinde Jesu Christi nicht erlaubt.
  4. In Bezug auf die Erderwärmung sprechen viele Wissenschaftler und dann leidenschaftlich die jungen und die alten Mitglieder der Bewegung „Friday for Future“ von dem „point of no return“, von dem Punkt, an dem es kein „Zurück“ mehr gibt. Wenn wir die Zunahme von Co2, von Kohlendioxyd, nicht in Kürze gestoppt kriegen, dann wird diese Zunahme unerbittlich steigen und die Welt zerstören. Ich bin gespannt, auf welche Maßnahmen sich die neue Bundesregierung und die jetzt gewählten Mitglieder des Bundestages einigen können und welche Folgen dies für uns alle hat. – Ich schlage aber zugleich die Bibel auf und lese in 1. Mose 2, dass wir Menschen die Aufgabe haben, die Welt zu bebauen und zu bewahren (V. 15) und dass Gott verheißen hat: „Solange die Erde besteht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8,22) Und dann sagt Jesus in seiner endzeitlichen Rede“ „Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.“ (Mk 13,31) Wie lange hält Gott seine Hand über diese unsere Erde, und wann beginnt dieses Vergehen? Wann hat dieses Vergehen schon längst begonnen? In der Bürgergemeinde, in einem säkularen Staat greift man nur nach der Pflicht, die Welt zu bewahren. In einer Christengemeinde aber weiß man: „Du kannst nicht tiefer fallen / als nur in Gottes Hand, / die er zum Heil uns allen / barmherzig ausgespannt.“ (EG 533,1) Dies gilt, gerade wenn wir sterben, wenn wir an einem Grab stehen und auch wenn die Welt vergeht.      

EG 428,1-3: „Komm in unsre stolze Welt“ (Melodie: 402)

  • Hier möchte ich nur das Eine sagen: Auf der ersten Seite der Bibel heißt es: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ (1. Mose 1) Zu der Zeit, als ich ausgebildet wurde für den Beruf eines Pfarrers, war es sonnenklar: Wir Menschen leben so, wie Gott uns geschaffen hat, als Mann und als Frau. Sicher, es gibt Ausnahmen. Aber dies ist eine der grundlegenden Spannungen in der Menschheit. Ich werfe die Kommentare und die Ethik-Bücher, aus denen ich gelernt habe, nicht einfach in die Papiertonne. Vieles von dem, was ich vor 50 Jahren gelernt habe, ist auch heute in Geltung, weil es dem biblischen Text entspricht.
  • Sicher, unser Land ist ein demokratischer Rechtsstaat. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates haben sich in Artikel 4 des Grundgesetzes zur Religionsfreiheit bekannt, und das aus guten Gründen. Jeder Mann und jede Frau dürfen sich frei entscheiden, ob sie an Gott glauben wollen oder nicht, und wenn ja, welchen Gott sie über alles fürchten und lieben und welchem Gott sie vertrauen wollen. Jeder darf seiner Überzeugung folgen, und jeder darf seine Religion wechseln. So sagen wir als Bundesbürger „Ja“ dazu, dass es inzwischen viele Glaubens- und Religionsgemeinschaften in unseren Städten und Dörfern gibt und auch Bundesbürger mit einer anderen Religion als der christlichen im Bundestag sitzen.

Dennoch muss die Fragegestellt und beantwortet werden, zumindest in einer Gemeinde von Christen: Wer ist der wahre Gott? Sicher gilt der Satz des Paulus, ich sage das mit Nachdruck: „Ist’s möglich, so viel an euch liegt, habt mit allen Menschen Frieden.“ (Röm 12) Dieser Satz will in unseren Städten und auch in unseren Dörfern beachtet sein, bei der Begegnung mit jedem Menschen, der aus einem anderen, aus einem uns fremden Land zu uns gekommen ist. Ich könnte einige Geschichten erzählen, in denen ich ein friedliches Miteinander mit Moslems erlebt habe. – Aber wichtiger ist folgendes: In mehreren Referaten habe ich Hebr 1 zitiert: „Viele Male und auf verschiedenste Weise sprach Gott in der Vergangenheit durch die Propheten zu unserem Vorfahren. Jetzt aber, am Ende der Zeit, hat er durch seinen eigenen Sohn zu uns gesprochen.“ Hier wird ein für alle Mal klar gestellt: In Jesus Christus hat sich Gott geoffenbart. Jesus hat von sich gesagt: „Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit, und ich bin das Leben. Zum Vater kommt man nur durch mich.“ (Joh 14) Dies geschah um das Jahr 30 nach dem Beginn unserer Zeitrechnung.

Nun frage ich: Was bedeutet es, wenn 600 Jahre später, also 610-632 nach unserer Zeitenwende, ein anderer auf der arabischen Halbinsel, eben Mohammed aus Mekka, von sich sagt: „Ich bin das Siegel der Propheten!“ (Sure 33,40)? Ich vollende das, was die Propheten Israels gesagt und getan haben, unter ihnen auch der Jesus der Christen. Jesus wird da in der Reihe der Propheten zu einem unter vielen gemacht, die ihren Höhepunkt in Mohammed erreicht.

Meiner Überzeugung nach stellt sich hier die Frage nach dem wahren und dem falschen Propheten. Ich möchte nicht über die vielen bedrängenden Fragen unserer Zeit nachdenken und das Meine dann tun, ohne den lebendigen Christus an meiner Seite zu haben. In der Christengemeinde wissen wir um den lebendigen Christus an unserer Seite.

  • Wie ist das Verhältnis von Christengemeinde und Bürgergemeinde. In Hille-Hartum, wo ich Pastor war, gehörten vor 15 Jahren 70 % der Dorfbevölkerung zur Ev. Kirche. Das „MT“ veröffentlichte damals einen Artikel, in dem es hieß: Wenn es irgendwo in Deutschland für Katholiken eine Diaspora-Situation gibt, dann in Hille. 5–10 % der Menschen sind Mitglieder der katholischen Kirche. Ich schätze: 20 % oder mehr sind aus der Kirche ausgetreten. Wir sind Teil der Dorfgemeinschaft, und wir gehören zur Bürgergemeinde. Wir nehmen den Weg unserer Bundesrepublik Deutschland ernst. Wir denken mit; wir unterstützen diejenigen, die Verantwortung übernehmen, und wir beten für sie. – Aber noch wichtiger ist es, dass wir zu unserer Kirchengemeinde gehören und über die Kirchengrenzen hinaus Kontakte zu anderen Christen haben. Wir sind bereit, uns hier einzusetzen, und hier in der Kirchengemeinde kann man auf unsere Mitarbeit zählen, ob wir eine große volkskirchliche Gemeinde sind oder  zu einer „kleinen Herde“ (Lk 12,32) schrumpfen.

Und zum Schluss noch eins: Mit dem Kommen Jesu ist das Reich Gottes angebrochen, und es wird eines Tages vollendet werden. Wer an Jesus glaubt, wer in seinem Namen Gott und die Menschen liebt und wer auf ihn hofft, gehört jetzt schon zu diesem Reich. „Wir aber sind Bürger im Himmel“, schreibt Paulus in Phil 3.

Gerade in den letzten Wochen hörte ich in den Kommentaren zu den Triells und zu dem Quartell, beides neue Wortschöpfungen: Den Menschen, die gewählt werden wollen, und den Menschen, die zum Wählen aufgerufen sind, fehlt eine große Erzählung, die jetzt am Anfang des 21. Jahrhunderts Orientierung gibt, die einen Horizont eröffnet und die Hoffnung begründet. So viele können es nicht beschreiben, wie es mit der Welt begann und worauf hin alles jetzt im 21. Jahrhundert hinausläuft. – Wir als Christen haben die Bibel und können darin nachlesen, wie alles anfing und welchem Ziel wir alle entgegen gehen. Wir haben den Panoramablick, den uns die biblischen Verheißungen eröffnen. Damit leben wir. Wir leben mit der Heilsgeschichte, mit der Geschichte, die Gott zum Heil der Welt angestoßen hat, die er in Jesus Christus zu ihrem Höhepunkt führte und die er vollenden wird.

Deshalb gilt: „Wir müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen.“   

                                                                                Hartmut Frische, Minden,  

Lied: EG 428,4+5: Komm in unser festes Haus

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