Von Person zu Person

 

Joh 21,14-19

Ein modernes Büro ohne Computer? Einfach undenkbar! Auch in vielen Wohnungen in Städten und Dörfern hat dieses Kommunikationsmittel längst seinen festen Platz. Vom Kind bis zu den Großeltern sitzen viele inzwischen am geöffneten Fenster zur Welt. Das Internet ist noch lange nicht an dem Ziel seines Siegeslaufes in unserer Gesellschaft angekommen. Man kann sogar mit Hilfe der modernen Medien Konferenzschaltungen zustande bringen. Immer mehr läuft über die Tastaturen unserer Computer und über den mouse-click. Man fühlt sich richtig abgehängt, wenn man nicht an alle diese Apparaturen angeschlossen ist und mithalten kann.

Da hat es mich doch erstaunt, als ich in dem Buch einer Frau, die sich in der Wirtschaft auskennt, las: Wenn es entscheidend wird, legen die Manager unserer Zeit größten Wert auf die Begegnung von Person zu Person. Sie wollen mit eigenen Augen das Minenspiel der anderen mit eigenen Augen sehen. Die äußere Haltung und die Gesten des anderen sind ihnen wichtig. Auf den Blick in die Augen wollen sie nicht verzichten. „Wenn es ernst wird, lassen sie die Finger weg von den Tasten und schauen in die Gesichter.“

Zu den Ostergeschichten gehört eine Szene, in der der auferweckte Jesus einem seiner Jünger direkt in die Augen schaute. Am frühen Morgen war er seinen Jüngern am See Tiberias erschienen und hatte ihnen ein Mahl mit gebratenem Fisch und knusprigem Brot bereitet. Dann nahm er Simon-Petrus für sich. Jetzt musste es sich entscheiden: Kann er sich auf diesen wankelmütigen Jünger, der ihn 3 x verleugnet hatte, verlassen? Ist dieser Mensch noch würdig, Petrus, d. h. „Fels“, genannt zu werden? Soll dieser vor Gott und den Menschen schuldig gewordene Mensch Apostel, sein Gesandter in die Welt, sein?

3 x fragte Jesus ihn – und er hatte dabei seine ganze Person vor Augen – : „Simon, du Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ Für Petrus war es gar nicht möglich, jetzt Ausflüchte zu machen oder halbherzig zu reagieren. Natürlich musste er an seine dreimalige Verleugnung im Hof des Hohenpriesters Kaiphas denken. Aber jetzt hatte er Jesus in seiner ganzen Gnade und Barmherzigkeit vor Augen. Hier war es möglich, auf den Ruf Jesu hin, seine große Schuld zu überwinden und neu anzufangen. So antwortete Petrus 3 x : „Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Und Jesus nahm dies Bekenntnis an und setzte ihn erneut in das Hirtenamt ein, wenn er sagte: „Weide meine Schafe!“ (Joh.21,15-17)

Wieder einmal erleben wir die Osterzeit. Diese Zeit findet auch heute ihre Erfüllung darin, dass Menschen sich so von Jesus angesprochen und gefragt wissen – von Angesicht zu Angesicht, von face to face – : „Hast du mich lieb?“ und dann dem auferstandenen Herrn antworten: „Ja, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Jeder Mensch, besonders jeder junge Mensch, braucht Zeit, um zu suchen und zu fragen, zu schnuppern und zu tasten. Dafür muss Raum in einer Kirchengemeinde sein, auch in der Osterzeit. Aber das Suchen ist nicht das Ziel. Die Stunde, in der das Liebes-Bekenntnis zu Jesus abfällt wie eine reife Frucht, kommt – oder man bleibt in seinen Fragen stecken und wird zu einer überreifen Frucht im Herbst, die am Baum hängen bleibt.