EG 683,3 – überschwänglich und nüchtern zugleich
Es gibt viele neuere und neue Lieder, die ich mag; aber da sind auch sehr alte Lieder, die ich großartig finde. Zum Beispiel „Du Glanz aus Gottes Herrlichkeiten, / du bist das Licht und bist der Quell.“ Ein Schweizer Pfarrer hat es vor etwa 70 Jahren ins Deutsche übersetzt. Gedichtet wurde dieses Lied von dem Bischof Ambrosius aus Mailand, der etwa 339 n. Chr. in Trier geboren wurde und 397 in Mailand starb. Besonders die dritte Strophe hat es mir angetan: „Herr Christ, sei du mir Trank und Speise; / erfülle uns mit deinem Geist, / dass er im Überschwang uns weise, / wie man dich heilig-nüchtern preist.“ Wie auch immer dieser Mann vor 1.630 Jahren es erlebte, er wusste etwas von dem Überschwang, den man als erwachsener Mensch, als Christ und als Bischof erleben kann. Man kann dieses Wort „Überschwang“ mit „aus dem Häuschen sein“ übersetzen oder mit „begeistert sein“. Da ist ein Mensch von dem Geist Gottes erfüllt und jubelt von ganzem Herzen. Wir haben es mit einem Morgenlied zu tun. Da muss ein Mensch nicht abends in die Disco gehen und sich in Rage tanzen oder an der Musik einer CD berauschen, die der Diskjockey gerade aufgelegt hat. Nein, jemand erwacht; die Kräfte regen sich; und dann hat er in seinem Innersten ein Lob- und Danklied zu Gott, seinem Schöpfer, auf der Zunge, und er singt zu seiner Ehre. Seine Gefühle überschlagen sich. Das ist das Erstaunliche: Im gleichen Atemzug ist dieser kluge, geachtete, in einem hohen Amt stehende Mann nüchtern. Sein Kopf ist ganz klar. Jetzt in der Frühe des Tages ist es dran, Gott zu loben. Es ist dran, mit Gott eine Zeit im Gebet zu verbringen. Gleich muss er sich der Fülle an Aufgaben stellen. Aber jetzt lobt er Gott, seinen Vater im Himmel, so wie es ihm zukommt. Das Herz dieses Ambrosius ist voll, er findet es goldrichtig, dass sein Tag so beginnt. Und zugleich wollen gleich all die Aufgaben mit Sinn und Verstand angepackt werden. In einem Atemzug spricht er von „Überschwang“ und „Nüchternheit“. Das ist gekonnt.