EG 263,5 – Lass viel Früchte deiner Gnad / folgen ihrer Tränensaat
Ganz gleich, welche Lieder in den letzten Jahren unter den Christen in unserem Land entstanden sind, einer der großen Choräle ist und bleibt das Lied: „Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unsrer Zeit.“ Es stammt aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die ersten Zeilen des Liedes gehen zurück auf Christian David, der mit Zinsendorf zusammen die Siedlung Herrnhut gegründet hat. Manche andere haben an diesem Lied, so wie es im Evangelischen Gesangbuch steht, mitgeschrieben.
Die 5. Strophe lässt aufhorchen: „Gib den Boten Kraft und Mut, / Glaubenshoffnung, Liebesglut, / lass viel Früchte deiner Gnad / folgen ihrer Tränensaat.“ Mitten in diesem Lied zum Lobe Gottes wird daran gedacht, dass immer wieder in der langen Geschichte der Kirche Menschen um ihres Glaubens willen missachtet und verfolgt, verspottet und verletzt, ins Gefängnis geworfen und ermordet wurden.
Hier denke ich besonders an eine Frau, die als Ehefrau und Mutter von drei kleinen Kindern ihren Mann verloren hat. Man hatte ihn zum Tode verurteilt; noch saß er einige Wochen im Gefängnis; in den letzten Kriegstagen hat man ihn hinterrücks in einem Waldstück in Berlin erschossen. Etwa acht Jahre hatte ich mit Frau Emmi Bonhoeffer, geb. Delbrück, einen freundschaftlichen Kontakt. Es ist und bleibt für mich bewegend, wie immer wieder von ihrem Mann, einem Bruder von Dietrich Bonhoeffer, erzählte. Wie Dietrich hatte sich Klaus Bonhoeffer in einer der Widerstandsgruppen, die zu den Geschehnissen am 20. Juli 1944 geführt haben, beteiligt. Aus ihrem Glauben heraus hatten diese Männer und Frauen den Mut dazu.
Ich treffe mich regelmäßig mit einigen Christen, und wir beten für die verfolgten Christen in so vielen Ländern der Erde heute. So viele, die, weil sie alle ihre Hoffnung auf Christus gesetzt haben, misstrauisch beäugt, bedrängt, angeklagt und verurteilt werden, gibt es in unserer Zeit! Da kann man mit Recht beten: „Lass viel Früchte deiner Gnad / folgen ihrer Tränensaat.“